Dramfelder Fliegende Blätter
Beyträge zur Ortsgeschichte
No. 7/2015
Liebe Leserinnen und Leser,
nach längerer Pause sollen in Zukunft an dieser Stelle die ‚Dramfelder Fliegenden Blätter’ erscheinen. Falls Sie Anregungen oder Fragen haben, sagen Sie mir Bescheid.
Der Beitrag steht am Ende auch als PDF Download zur Verfügung!
Die Dienstkleidung der Pastoren
Der Talar ist die Dienstkleidung der Geistlichen, die sie bei besonderen kirchlichen Amtshandlungen tragen – bei der Predigt, bei Taufen, Konfirmationen, Eheschlies-
sungen, bei Trauergottesdiensten, bei der Austeilung des Abendmahls.
Er gehört ihnen, denn sie bezahlen ihn aus der eigenen Tasche.
Eine strittige Frage: wer muss die Dienstkleidung bezahlen?
Dass es früher anders war, dass die Dienstkleidung, der Kirchenmantel und/oder der Chorrock, einst Eigentum der Kirche war und infolgedessen im Vermögensinventar der Kirche aufgeführt wurde, belegen Hinweise in alten Kirchenrechnungen, auf die man gelegentlich stößt. Aus diesen Rechnungen geht hervor, dass die (Kirchen)gemeinde den Stoff für den Mantel und den Arbeitslohn des Schneiders ebenso wie die immer wieder
nötig werdenden Reparaturen am Mantel aus der Kirchenkasse bezahlte. Sofern der Pastor das Kleidungsstück und den Macherlohn selbst bezahlt hatte, konnten seine Erben vom Nachfolger den Ersatz eines Teils der Kosten verlangen.
Zwar belegen die erhaltenen Akten, dass die Anfertigung bzw. die Ausbesserungen am Kirchenmantel stets vom Konsistorium in Hannover genehmigt worden sind, doch scheint die grundsätzliche Frage, wer für die Anschaffung der Dienstkleidung aufkommen musste, von Zeit zu Zeit in Teilen der kirchlichen Verwaltung durchaus strittig gewesen zu sein.
So bemerkte das Konsistorium 1723, dass es eigentlich nicht üblich sei, dass die Kirche die Kosten für den Kirchenmantel trüge, und verlangte, den Zeitpunkt nachzuweisen, seit dem in Obernjesa/Dramfeld die Kirche den Mantel des Pastors bezahlte, warum dies so sei und auf welcher gesetzlichen Grundlage dies geschehen sei: Es wird aber bey nechst künfftiger Kirchen Visitation nötig seyn, in denen Kirchen Registern nachzusehen, was diese denen Kirchen sonst nicht obliegende ausgabe vor ein fundament habe, zu welcher Zeit selbige zu erst enstanden, aus was uhrsachen... 1806 rügte das Konsistorium an der Kirchenrechnung von 1803: [es] hätte bey der Ausgabe für Ausbesserung des Prediger Mantels erwehnt werden müssen, daß solcher von der Kirche gehalten werde…
Daraufhin blätterten die Obernjesaer Pastoren in alten Rechnungen, um ihren Vorgesetzten, dem Konsistorium und den sogenannten Kirchenkommissarien, zu beweisen, dass die Kirche die Dienstkleidung zu bezahlen habe. Am gründlichsten erforschte Pastor Blauel [1820-1862] die Sachlage, als er selber einen neuen Kirchenmantel brauchte. Das dienstliche Kleidungsstück, das er offensichtlich noch von seinem Vorgänger übernommen hatte, war so schäbig geworden, dass er seinen eigenen Mantel und Chorrock mit nach Dramfeld genommen hatte, um dem kirchlichen Anstand zu genügen.
Er stellte fest, dass der Mantel zum Gebrauche des Predigers in Drammfeld nicht nur angeschafft sondern auch im Stande erhalten worden sey. Er nannte dem Konsistorium die Rechnungen und die dazugehörigen Belege über Neuanschaffungen und Reparaturen, das Datum der Genehmigungen und die Kosten, die jeweils angefallen waren.
Die Materialien zum Mantel
Vermutlich trug der Pastor einen umhangartigen Mantel, später wohl eher einen Gehrock. Da dieser Mantel auch ein Ausdruck der Würde des Amtes war und Jahrzehnte lang halten musste, wurde er aus schwerem Stoff gefertigt, gefüttert und mit Samt verziert – so wie man es von alten Bildern kennt. Mantelstoff, Futterstoff und Nähseide wurden in Göttingen gekauft, z.B. 1769 bei den Gebrüdern Böning. Als Schneider wird Lorentz Pieper in Obernjesa genannt.
Ausbesserungen
Bevor jedoch ein neuer Mantel angeschafft werden konnte, wurde er mehrmals ausgebessert, wenn nicht gar gewendet. 1759 war der Kirchenmantel gantz zerlumpt – und wurde doch noch mit ½ Elle Tuch und 1 Elle Rasch, geflicket und ausgebeßert. 1773 fehlte ein Band am Mantel und das Futter, das sich gelöst hatte, wurde wieder angenäht. Laut Rechnung machte diese kleine Reparatur der Handwerker und nicht etwa die Frau des Pastors. 1784 wurde der Schneider Pieper in Obernjesa beauftragt, den Mantel zu wenden, was aus der quittierten Rechnung hervorgeht: Daß mir Endes unterschriebenem die Kirche zu Dramfeld für einen ihr gehörenden Mantel umzukehren, und auszubessern 11mg. gegeben habe, nämlich 9mg. Arbeitslohn, und 2mg. für 4 Docken Seide: solches bescheinige ich mit Nahmens Unterschrift Obernjesa d. 9tn December 1784 Lorenz Pieper.
Pastor Blauel zählte noch mehrere Reparaturen auf, die von der Kirche bezahlt worden waren, und die bewiesen, dass derartige Ausgaben aus der Kirchenkasse zu erfolgen hatten.
Neuanschaffungen
Eine Neuanschaffung wurde beispielsweise 1687 zur Zeit Pastor Armbrechts [1684-1713] erforderlich, alß der Kirchen Mantel ganz unbrauchbar worden. 1769 stellte Pastor Stolberg [1761-1783] fest, dass der 1713 angeschafte Kirchen-Mantel nunmehro ganzt ausgebrauchet… Ein neuer Mantel wurde 1817 für den Pastor Proffen [1798-1819] nötig. Und noch während der Amtszeit des Pastors Blauel, als der 1817 angeschaffte Mantel zum Gebrauche des Predigers in der Kirche zu Drammfeld in so schlechtem Stande ist, daß er ohne Verletzung des Kirchlichen Anstandes nicht mehr zu gebrauchen ist.
Pastor Blauel legte den Kirchenkommissarien dar, dass er seinen eigenen Mantel und hernach meinen Chorrock jedesmal mit nach Drammfeld nehmen musste. Dieses beständige Wandern desselben würde aber denselben bald gänzlich verderben, und wird mir dieses Opfer nicht ferner zuzumuthen seyn...
Der umsichtige Pastor Blauel erläuterte den Kirchenkommissarien, dass die Kosten für den neuen Mantel verringert werden könnten, wenn dessen Schnitt schlichter gehalten und der ganze Mantel unter Aufsicht seiner Frau oder seiner Tochter genäht werden würde – und legte den entsprechenden Kostenvoranschlag mit bei.
Leider sind der Kostenvoranschlag und die Genehmigung für den neuen Mantel bisher nicht zu finden gewesen.
Abb. 1: Aus dem Konzept des Pro Memoria, in dem Pastor Blauel die verschiedenen Reparaturen und Neuanschaffungen nachwies (Kirchenkreisarchiv Göttingen PA Dramfeld Dr.A. 515, ohne Datum).
Quellen:
1. Akten des Kirchenkreisarchivs Göttingen; detaillierte Nachweise bei der Bearbeiterin.
2. Karl-Heinz Bielefeld: Obernjesa, eine ortsgeschichtliche Studie, Göttingen 1957.
Dramfeld im Januar 2015.
Dr. Dagmar Kleineke,
Ortsheimatpflegerin.
Veröffentlichung des Bildes mit freundlicher Genehmigung des Kirchenkreisarchivs Göttingen. Die Nutzungsrechte des Bildes liegen beim Kirchenkreisarchiv Göttingen.
Aus dem Text darf nur mit Angabe der Quellen zitiert werden.